„Die Karikatur über die Wandlung von der „geordneten deutschen“ zur liederlichen „polnischen Wirtschaft“ wurde 1919 in der politisch-satirischen Wochenzeitschrift „Kladderadatsch“ (erschienen 1848-1944) publiziert. Sie erschien vor dem Hintergrund des teilweise schon erfolgten und weiter drohenden Verlustes von Territorien, die seit den Teilungen Polens im 18. Jahrhundert zu Preußen, dann zum Deutschen Reich gehörten. Während Großpolen um Posen zu dem Zeitpunkt des Erscheinens bereits zum wieder entstanden polnischen Staat gehörte, standen die in Versailles vorgesehenen Volksabstimmungen in Ostpreußen und Oberschlesien noch aus. […] Bei der besonders kontrovers diskutierten und schließlich durchgeführten Abstimmung über Oberschlesien am 20. März 1921 wurden 59,6 % der Stimmen für Deutschland abgegeben und 40,4 % für Polen (die Wahlbeteiligung betrug 98%). Der Versailler Vertrag sah die Möglichkeit einer Aufteilung des Gebietes vor. So verblieb der größere, westliche Teil Oberschlesiens bei Deutschland, während der Osten um Kattowitz (Katowice) mit seinen wertvollen Kohlegruben an Polen kam. Nach der Auszählung verlangte die Regierung wegen der insgesamt 59,6% für Deutschland abgegebenen Stimmen müsse das gesamte Gebiet Deutschland erhalten bleiben. In Oberschlesien gingen verschiedene Gruppen (Selbstschutz und Freikorps) daran, sich zu bewaffnen und Widerstand gegen eine mögliche Abtretung zu leisten. Polnische Freischärler unter Wojciech Korfanty versuchten dagegen, eine Abtretung ganz Oberschlesiens an Polen zu erreichen. Am Annaberg lieferten sich polnische und deutsche Gruppen im Mai 1921 heftige Gefechte, die als „Dritter Aufstand in Oberschlesien“ in Geschichte eingingen. Am 20. Oktober 1921 entschied eine Botschafterkonferenz in Paris, dass das Gebiet aufzuteilen sei. Diese Entscheidung beruhigte die Situation zwar oberflächlich, auf deutscher Seite allerdings hielten sich weiterhin Ressentiments und der Wunsch, die Entscheidung rückgängig zu machen […]“
2. Der historische Kontext der Karikatur
Quelle: Jan Kusper: „Ressentiment, Konflikt und Vernichtung. Osteuropa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“, in: Kuhn, Bärbel (Hg.): Europäische Perspektiven, 2001, S. 12.
Fragen
Beschreibung und Analyse
Der Aufsatz von J. Kusper stellt den Bezug der Karikatur zu den politischen Entwicklungen durch und nach dem Versailler Vertrag dar. Die Karikatur bezieht sich auf die Gebietsabtretungen Deutschlands an Polen durch den Versailler Vertrag und die Gefahr weitere Gebietsabtretungen durch Abstimmungen in Oberschlesien.
Vor diesem Hintergrund ist die Intention des Karikaturisten mit dem Stereotyp der „polnischen Wirtschaft“ eine Stimmung in der Bevölkerung gegen Polen zu erzeugen, um die Abstimmungen zu Gunsten Deutschlands zu beeinflussen.
Geographisch/Historisch Kontext
Eine weitergehende Kontextualisierung finden Sie im „Historical Context“ der vorherigen Seite.